Spielen mit Ausblick

Elemente der Gartengestaltung in Kitas: Ein zweigeschossiges Spielhaus

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Zweigeschossiges Spielhaus 2Herbert Österreicher plant und gestaltet Freianlagen von Kitas, Horten und Grundschulen. In einer Serie berichtet er an Beispielen, worauf man bei der Gartengestaltung achten sollte und was Kinder im Außengelände brauchen, um sich wohl zu fühlen.

In den letzten Beiträgen ging es um Kindertagesstätten mit teilweise sehr großen Außenanlagen. Das sind eher Ausnahmen. Vor allem in Städten sind die Gärten oft ziemlich klein. So auch der »Kindergarten im Hof«, die Kindertagesstätte einer Elterninitiative in München, wo trotz eines geringeren Raumangebots – sowohl drinnen als auch draußen – alles versucht wird, um den Kindern ein vielseitig und intensiv nutzbares Außengelände zu bieten.

Vergrößerung des Raums

Der Außenbereich des Kindergartens umfasst eine Fläche von etwa 400 Quadratmetern. Da regelmäßig nachmittags sowie in Ferienzeiten und bei Festen zu den Kindergartenkindern noch viele »Besuchskinder« stoßen, geht es im Hof häufig ziemlich turbulent zu. Bei der Nutzung der Gartenanlage spielt eine wichtige Rolle, dass sich die Altersspanne der Kinder durch die »Besuchskinder« erheblich vergrößert:  Zu ihnen gehören nämlich sowohl Kleinkinder, die als Geschwisterkinder am Nachmittag mitgebracht werden, als auch Schulkinder, die als »Ehemalige« am Nachmittag gerne mal vorbeischauen. Selbstverständlich sind die Bedürfnisse jüngerer und älterer Kinder in vielen Bereichen sehr verschieden und auch in Bezug auf die Sicherheit gelten unterschiedliche Aspekte. Letzteres bedeutet, dass die Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten des Geländes auf die jüngsten Kinder Rücksicht zu nehmen haben: Was für die Altersgruppe der Jüngsten zulässig ist, stellt auch für ältere Kinder kein unzulässiges Risiko dar – umgekehrt ist das keineswegs der Fall.
Als wir uns in kleiner Runde mit diesen Fragen befassten, war rasch klar, dass wir das begrenzte Platzangebot der verfügbaren Hoffläche (ein mindestens genauso großer Teil des Hofes dient als PKW-Zufahrt und -Parkplatz ...) nur dadurch verbessern konnten, dass wir etwas für die Qualität des Gartengeländes unternahmen.  Das Raumangebot sollte durch eine zusätzliche Spielebene erweitert werden und mittels einer kleinen Bodenmodellierung und ergänzenden Sträucherpflanzungen könnten neue Rückzugszonen und Versteckbereiche entstehen – als gefahrlose und dennoch spannende Spielmöglichkeiten für Kinder jeden Alters.

Raum für Rückzug

Zweigeschossiges Spielhaus 3Bereiche, die am Rand des Geschehens liegen, daher weniger einsehbar sind und naturgemäß von Erwachsenen auch weniger kontrolliert werden, sind für Kinder von besonders großer Bedeutung. Die Aussage »Alles Wichtige geschieht im Verborgenen« (1), und deren Bedeutung kann für die kindliche Entwicklung kaum überschätzt werden. Aus diesem Grund entschieden wir uns, im Rahmen einer anstehenden Gartenpflege und ergänzenden Neugestaltung den hintersten Teil des Geländes so zu verändern, dass dort eine richtige Rückzugsecke entstand. Bereits vorhandene Sträucher und kleine Bäume wurden durch einige weitere, halbhohe Büsche ergänzt, wobei eine knapp einen Meter hohe Bodenmodellierung dafür sorgte, dass der dahinter liegende Bereich den Charakter einer geschützten, kaum einsehbaren Mulde erhielt. Das war auch deshalb gut möglich, weil sich an der betreffenden Grundstücksgrenze eine mehrere Stockwerke hohe, fensterlose Brandmauer befindet, wodurch sich leicht ein attraktiver, halbdunkler Spielraum entwickeln ließ. Die zum Verwildern neigenden, bewusst wenig gepflegten Sträucher unterstreichen den Wildnis-Charakter dieses Platzes.

Bewährtes erhalten

Das Zentrum dieser Ecke bildet jedoch ein ganz besonderes, neu gebautes Spielhaus. Dieses Haus geht auf einen bei den Kindern sehr beliebten Vorgängerbau zurück, erweitert dessen Möglichkeiten aber beträchtlich. Da der Boden des Neubaus nun deutlich höher liegt, wurde es möglich, darunter einen weiteren Raum zu schaffen: eine Art Höhle, deren Boden durch eine entsprechende Abgrabung unter dem angrenzenden Geländeniveau liegt. Das Haus selbst wurde als Ständerbau gefertigt und wirkt wegen der Stützen wie ein Pfahlbau. Eine Rampe bildet den Zugang ins Hausinnere, während die »Höhle« von mehreren Seiten aus erreichbar ist. Zudem gibt es im Boden des Hauses eine Öffnung mit einer Leiter, die die beiden Räume direkt miteinander verbindet.
Mit dieser Konstruktion erreichten wir nicht nur ein verbessertes Raumangebot, sondern wir konnten auch den Wünschen der Kinder gerecht werden. Diese hatten nämlich das alte, ziemlich marode Spielhaus sehr ins Herz geschlossen und waren anfangs traurig, als sie hörten, dass wir uns gegen eine Reparatur dieses Hauses entschieden hatten. Umso wichtiger war, dem neuen Haus wieder eine ähnliche Funktionalität zu geben: eine vergleichsweise große Grundfläche, einige Fenster und einen Zugang, der sich – jetzt noch besser als früher – gut verbarrikadieren lässt ...
Der vermutlich wichtigste Aspekt betrifft jedoch die Höhe, in der sich der neue Raum befindet. Die Stützen, die dafür sorgen, dass der Boden des Innenraumes deutlich über dem Umgebungsniveau liegt, stehen nicht nur für eine erschwerte Zugänglichkeit, sondern ermöglichen den Kindern im Haus gleichzeitig den Ausblick von einer höheren Warte aus. Erwachsene vergessen leicht, welche Bedeutung die vergleichsweise geringe Höhe hat, aus der Kinder normalerweise die Umwelt wahrnehmen. Und wie reizvoll und begehrenswert es dann ist, sich einmal größer fühlen zu können. Darin liegt auch der Grund, weshalb Kinder Baumhäuser so sehr lieben. Dieses Pfahlhaus hat zwar längst nicht die Höhe eines Baumhauses, erfüllt aber ganz ähnliche Wünsche und Ansprüche. Zudem bietet es sehr viel mehr Platz als die allermeisten Baumhäuser.

Mit vereinten Kräften

Zweigeschossiges SpielhausAm Bau des Pfahlhauses waren etliche Personen beteiligt. Ausgehend von einer entsprechenden Werkplanung fertigte ein Schreiner in seiner Werkstatt zunächst die Rahmenkonstruktion und bereitete die Bretter für Boden, Wände und Dach vor. Die Montage selbst erfolgte an einem »Gartentag« mit zahlreichen Eltern und Mitgliedern des pädagogischen  Teams, mit Hilfe des Schreiners, der auch einen Großteil der benötigten Werkzeuge und Maschinen mitbrachte.
Trotz hoher Motivation aller Beteiligten war unser Vorhaben nicht ganz einfach umzusetzen: Zum einen musste die Holzkonstruktion auf eine noch herzustellende Bodenmulde der späteren »Höhle« ausgerichtet werden, und dabei durften die Punktfundamente der Stützen des Pfahlhauses keinesfalls zu hoch liegen. Zum anderen – und das war das größere Problem – machte uns das Wetter zu schaffen, denn noch während unserer Arbeit setzte Nieselregen ein. Glück im Unglück: Die Rohbauarbeiten waren zu diesem Zeitpunkt beinahe abgeschlossen und alle HelferInnen noch so motiviert, dass wir das Spielhaus an diesem Tag trotzdem fertigstellen konnten. Mittlerweile ist das Pfahlhaus stärker eingewachsen und bildet zusammen mit den Gehölzen eine harmonische Einheit. Es wird von allen Kindern gerne genutzt, und vor allem für die älteren Kinder stellt es einen längst unverzichtbaren Spiel- und Rückzugsbereich dar.


(1) Zitat des französischen Schriftstellers Louis-Ferdinand Céline


Infos zur Einrichtung
Kindergarten im Hof

Belegung: 20 Kinder 3 bis 6 Jahre, dazu täglich nachmittags bis etwa 10 Geschwisterkinder unterschiedlichen Alters als
»Besuchskinder«
Leitung: Claudia Franz
Anschrift: Einsteinstraße 99, 81675 München
Tel. 089.475515
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Träger
Elterninitiative Kindergarten im Hof e.V.
Außengelände: rund 400 Quadratmeter

 

Zitiervorschlag:
Österreicher, Herbert: Spielen mit Ausblick. Elemente der Gartengestaltung in Kitas: Ein zweigeschossiges Spielhaus. In: www.kinderfreiland.de. Datum des Zugriffs dd.mm.jjjj

oder

Österreicher, Herbert: Spielen mit Ausblick. Elemente der Gartengestaltung in Kitas: Ein zweigeschossiges Spielhaus. In: Betrifft Kinder, Heft 01-02/2017. Berlin und Weimar: verlag das netz

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