Elemente der Gartengestaltung in Kitas
Der Rasen-Irrgarten
Für Kinder ist es oft sehr lustvoll, einer vorgegebenen Bahn zu folgen, die sich einem bestimmten Ziel nicht direkt, sondern auf Umwegen nähert, manchmal zögernd, manchmal überraschend schnell. Es mag für sie ähnlich spannend sein wie Balancieren – auch dort ist klar und sichtbar, worin das Ziel liegt, und dennoch nicht ganz vorhersehbar, wie lange man braucht, um es zu erreichen.
Neugier setzt in Bewegung
Wenn wir genau beobachten, wie sich Kinder in einem bestimmten Gelände verhalten, erkennen wir häufig, wie sehr sie von eher unübersichtlichen oder rätselhaften Situationen fasziniert sind. Dabei nehmen Dinge und Strukturen, deren Bedeutung nicht genau festgelegt ist, einen besonders hohen Stellenwert ein. Ein unregelmäßig gewachsener Baum ist zum Beklettern fast immer spannender und beliebter als ein genormtes Kletterspielgerät. Die kindliche Neugier ist gleichsam der Motor der Entwicklung, er führt ein Kind von einer Beobachtung zur nächsten und lässt einen zunehmend größeren Schatz an Erfahrungen und Erlebnissen entstehen. Da Eindrücke, Assoziationen und Erlebnisse stark von „inneren Bildern“ geprägt werden und die Fantasie darüber bestimmt, was als herausfordernd und anregend empfunden wird, können auch vergleichsweise einfache, flächige Strukturen für die Gestaltung eines Gartens für Kinder wichtig werden. Ohnehin sollten Bodenstrukturen und ihre sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten nicht vernachlässigt werden. Das gilt zwar in besonderer Weise für Kleinkinder, aber auch ältere Kinder haben mehr von einem Gelände, das unterschiedliche Böden und Oberflächenstrukturen aufweist. Daraus ergeben sich ganz nebenbei vielfältige haptische, optische und akustische Abwechslungen. Zudem stellen nicht wenige der verwendeten Materialien bereits für sich genommen ein Angebot zum Entdecken und Spielen dar, denken wir nur an unterschiedliche Kiesböden, eine Pflasterdecke mit allerlei Pflanzenwuchs in den Fugen oder jene kaum bewachsene Böden unter Bäumen und Sträuchern, auf denen sich altes Laub, Samen und Früchte sammeln.
Soweit die grundsätzliche Zielsetzung. Beim hier genannten Gestaltungsbeispiel geht es jedoch um eine genauer geplante Bodenstruktur, und zwar um den Bau eines Geflechts schmaler Wege in einer größeren Rasenfläche.
Aufwertung einer Rasenfläche
Die Kindertagesstätte, in der dieses Projekt umgesetzt wurde, besitzt ein vergleichsweise großes Außengelände mit etlichen interessanten Gestaltungselementen. Dazu gehören vor allem ein höherer, langgestreckter Hügel mit einer langen Hangrutsche und einem gepflasterten Fahrweg, Sand- und Kiesplätze am Rand einer großen Terrasse, ein Versteckbereich unter alten Bäumen, Spielhäuser und Schaukeln. Auch liegen verteilt über das Gesamtgrundstück mehrere Rasenflächen, von denen vor allem eine etwas problematisch war: Überwiegend im Schatten höherer Bäume gelegen, kann sich der Rasen hier nicht gut entwickeln. Stellenweise ist er stark vermoost und bei länger anhaltendem Regenwetter treten rasch Trittschäden auf. Andererseits befindet sich diese Fläche nahe an der Terrasse zwischen dem Gebäude und einer Gruppe von Spielhäusern und wird daher besonders strapaziert. All das waren gute Gründe, den Rasen in diesem Bereich zu entlasten, und zwar durch ein Netz kleiner Plattenwege in der Struktur eines Irrgartens.
Anhand einer entsprechenden Detailplanung markierten wir zunächst auf der Rasenfläche die spätere Wegeführung, damit der Rasen nur dort abgeschält wurde, wo später die Platten verlegt wurden. Da die Wege schmal sein sollten und die dafür vorgesehenen Quarzit-Bahnenplatten nur wenige Zentimeter dick sind, brauchten wir keinen mächtigen Unterbau. Es genügt hier ein einige Zentimeter dickes Splittbett. Nur dort, wo wir – nicht zuletzt aus optischen Gründen – einzelne Streifen von Marmor-Pflasterwürfeln einsetzten, musste etwas tiefer gegraben werden.
Aufgrund der Struktur dieses Rasen-Irrgartens und der unterschiedlich großen Platten und Pflastersteine konnten die Verlegearbeiten gleichzeitig an mehreren Stellen beginnen. Ein großer Vorteil, um gemeinsam gut voranzukommen, denn auch dieses Projekt wurde mit tatkräftiger Hilfe von Eltern realisiert, deren Kinder in dieser Kindertagesstätte betreut werden.
Als alle Platten und Pflastersteine gesetzt und mit Sand verfugt waren, setzten wir eine kleine Rüttelplatte ein, um eine entsprechende Verdichtung und Festigung des Materials zu erzielen.
Alles in allem hat diese Veränderung zu einer deutlichen Aufwertung der betreffenden Rasenfläche geführt. Der Bereich lässt sich zwar nach wie vor als hindernisfreie ebene Fläche zum Laufen, Ballspielen und vielen anderen Aktivitäten nutzen, aber er fordert nun auch zu ganz anderen Spielen und Beschäftigungen auf. Das zeigt sich immer wieder, wenn einzelne Kinder in sich versunken das Wegenetz abgehen oder kleine Gruppen die „Schachtelwege“ für selbst organisierte Wettläufe nutzen.
Uralte Muster
Auch wenn der Anblick dieses Rasen-Irrgartens an ein Labyrinth denken lässt, sollte man diese beiden Konzepte nicht miteinander gleichsetzen. Ein echtes Labyrinth zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass es nur einen, wenn auch oft verschlungenen Weg hat, der stets zu einer Mitte führt (und wieder von ihr weg nach draußen). Der Weg zu dem im Inneren liegenden und manchmal verborgenen Ziel ist kein Weg wie irgendein anderer, sondern bildet bereits das Wesen dieser eigentümlichen Struktur. Wie durch nichts anderes wird hier Suchen und Finden, Weg und Ziel, Frage und Antwort thematisiert. Von dieser schillernden und irritierenden Ambivalenz geht seit jeher ein besonderer Zauber aus. Seit Jahrtausenden ist das Labyrinth eines der bedeutendsten und geheimnisvollsten Bildsymbole der Menschheit. Seine Herkunft liegt im Dunkel und lässt nicht viel mehr als die Annahme zu, dass es sich in uralten Riten und Kulten entwickelt haben mag. Wir finden sie in der keltischen, griechischen und römischen Kultur, aber auch in indianischen Überlieferungen.
Ein berühmtes Beispiel für ein solches Labyrinth ist das Bodenmosaik in der Kathedrale von Chartres aus verschiedenfarbigen Steinen, dessen Weg im Mittelalter betend abgeschritten wurde.
Die kulturelle Dimension von Labyrinthen ist für Kinder sicherlich weniger interessant, und auch viele Erwachsene haben zu diesen Gebilden einen eher spielerischen und ästhetisch begründeten Zugang. Dennoch lässt sich gerade bei sehr lebhaften Kindern beobachten, dass das Gehen oder Laufen auf den Schleifen eines Labyrinth-Weges eine ganz bestimmte Konzentriertheit bewirkt. Die Ausführung des streng vorgegebenen Bewegungsmusters kann eine sehr meditative Handlung sein.
Im Gegensatz zu dem einen, sich kunstvoll windenden Weg der echten Labyrinthe, geht es in einem Irrgarten meist darum, unter vielen Abzweigungen den einzigen richtigen oder den kürzesten Weg zum Zentrum zu finden. Verschlungene und blinde Wege verfolgen nur ein Ziel: den Suchenden in die Irre zu führen. Beim Gang durch einen Irrgarten wird uns das Bedürfnis nach Orientierung überdeutlich, und wir geben uns größte Mühe, den richtigen Weg zu finden.
Die ersten Garten-Labyrinthe und Irrgärten wurden ab etwa dem 15. Jahrhundert angelegt und waren vor allem in Renaissance und Barock sehr beliebt. Dabei wurden anstelle des klassischen Labyrinths zunehmend Irrgärten gebaut oder gepflanzt, wenn auch dafür häufig – klangvoll, aber irreführenderweise – der Begriff „Gartenlabyrinth“ verwendet wird. Das Ziel war die Verunsicherung der Besucher: Orientierungsverlust durch lange, vielfach gewundene und verzweigte Wege zwischen übermannshohen Hecken aus Hainbuche, Eibe oder Liguster, aber auch Stechpalme und Weißdorn – um Abkürzungen mindestens unangenehm zu machen.
Solche Beispiele sind jedoch auf Außenanlagen von Kindertageseinrichtungen wegen ihres großen Platzbedarfs, des Pflegeaufwands und der Unübersichtlichkeit kaum übertragbar. Ganz anders sieht es mit dem beschriebenen Modell des Rasen-Irrgartens aus. Er kann es zwar mit keiner berühmten Anlage dieser Art aufnehmen, aber die Erfahrung aus der betreffenden Kindertagesstätte zeigt, dass sich diese Idee bewährt hat und bei Kindern wie Erwachsenen nach wie vor auf Interesse und Zustimmung stößt.
Übrigens: Schon im römischen Reich wurden Wege in die Grasnarbe einer Rasenfläche eingeschnitten, um als Trainingslaufbahnen zu dienen. Dem entsprechend fanden sie sich in vielen Armeelagern. Im Wallis kennt man ähnliche Anlagen als „Schäferrennen“, weil Hirtenjungen früher auf der Weide gerne solche Bahnen absteckten, um sie dann abzulaufen – auch als Training für Volksfeste, bei denen dieser Lauf oft die Hauptattraktion war.
Infos zur Einrichtung
Kindergarten St. Martin
Belegung: 00 Kinder 3-6 Jahre
Leitung: Gabriele Gartenschläger, Birgit Gebhard (stellv.)
Anschrift: Kindergartenweg 4, 80999 München-Untermenzing
Tel. 089.8121249
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Träger: Kirchenstiftung St. Martin-Untermenzing
Außengelände: rund 4 500 Quadratmeter